Guter Tradition folgend veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Handels- und Gesellschaftsrecht ihre Jahrestagung, den 8. Deutschen Handels- und Gesellschaftsrechtstag 2013, am 13. und 14. September 2013 wieder in Berlin. Rund 160 Teilnehmer hörten ein abwechslungsreiches Programm aus Gesellschaft- und Handelsrecht mit Ausflügen in das Steuerrecht, Insolvenzrecht und das internationale Recht.
Ebenfalls gute Tradition ist es, dass der Freitagvormittag Gesetzgebung und Rechtsprechung vorbehalten ist. Professor Dr. Ulrich Seibert, Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz, berichtete Aktuelles aus der Gesetzgebung. Angesichts der auslaufenden Legislaturperiode beschränkte sich der Bericht auf eine Rückschau auf die jüngsten Gesetzgebungsvorhaben. Der wohl prominenteste Fall ist die ehemalige Aktienrechtsnovelle 2012, die unter der Bezeichnung „Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG)“ noch vor der Sommerpause vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden war. Das Gesetz war als kleine Novelle des Aktienrechts geplant mit im Wesentlichen technischen Änderungen wie der Einschränkung der Verwendung von Inhaberaktien durch nicht börsennotierte Aktiengesellschaften und die Einführung der sogenannten umgekehrten Wandelanleihe. Größere politische Brisanz erreichte das Gesetzgebungsvorhaben durch die Einführung eines Mitbestimmungsrechts der Hauptversammlung bei der Vorstandsvergütung. Politischer Hintergrund war ein Volksentscheid in der Schweiz, mit dem sich eine Mehrheit der Bevölkerung für die Begrenzung der Vorstandsvergütungen ausgesprochen hatte. Um die danach auch in Deutschland aufbrechende Diskussion einzudämmen, sah der Gesetzgeber in einem neuen § 120 Abs. 4 AktG vor, dass die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft jährlich über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließt. Die Darstellung des Systems hatte auch Angaben zu den höchstens erreichbaren Gesamtbezügen (aufgeschlüsselt nach Vorstandsvorsitz, dessen Stellvertreter und einfachem Mitglied des Vorstandes) zu enthalten. Der (Miss-) Billigungsbeschluss berührte allerdings die Wirksamkeit der Vergütungsverträge nicht; er war auch nicht nach § 243 AktG anfechtbar.
Das VorstKoG ist, wie schon von Prof. Seibert befürchtet, in der letzten Sitzung des Bundesrates vor Ende der Legislaturperiode am 20. September 2013 durchgefallen, da es der rot-grünen Bundesratsmehrheit nicht weit genug ging. Obwohl nur Einspruchsgesetz ist es damit in der abgelaufenen Legislaturperiode endgültig gescheitert; es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form es in der neuen Legislaturperiode erneut eingebracht wird.
Der Vorsitzende des zweiten Zivilsenates am Bundesgerichtshof, Prof. Dr. Alfred Bergmann, berichtete sodann über aktuelle Entscheidungen seines Senates aus dem GmbH-, Aktien- und Personengesellschaftsrecht, insbesondere auch zur Vorstandshaftung bei Risikogeschäften und zu den Folgen einer Anfechtung der Wahl des Aufsichtsrates. In dieser letzteren Entscheidung hatte der BGH ausgesprochen, dass ein fehlerhaft bestelltes Aufsichtsratsmitglied wie ein Nichtmitglied zu behandeln ist und daher die unter seiner Mitwirkung gefassten Beschlüsse grundsätzlich nichtig sind, soweit es auf seine Stimme ankam. Die Lehre vom fehlerhaften Organ ist nur auf die Pflichten, Haftung und Vergütung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitgliedes anzuwenden. An diese Entscheidung knüpfte der Vortrag von Prof. Dr. Tim Drygala von der Universität Leipzig über faktische Organverhältnisse bei der AG an. Drygala vertritt einen gegenüber dem BGH differenzierten Standpunkt. Er will – je nach dem, ob Kenntnis oder Kennenmüssen von der Anfechtbarkeit im Sinne von § 142 Abs. 2 BGB vorlag – die Lehre vom fehlerhaften Organ uneingeschränkt bzw. nur mit einer Notkompetenz anwenden. Die aktienrechtlichen Themen rundete der Vortrag unserer Kollegin aus dem geschäftsführenden Ausschuss, Rechtsanwältin Dr. Hildegard Ziemons aus Frankfurt, über Anwälte im Aussichtsrat – im Dickicht von Berufsrecht, Aktienrecht und Corporate Governance Kodex - ab.
Ein Schwerpunkt der diesjährigen Vorträge lag auf der Behandlung der streitigen Gesellschafterversammlung in der GmbH. Dazu unterrichtete zunächst Rechtsanwalt Dr. Andreas Eickhoff aus Bochum zur Vorbereitung der streitigen Gesellschafterversammlung. Dabei wurde insbesondere deutlich, dass bei Veränderungen im Gesellschafterbestand sich der Streit um Teilnahme- und Stimmrecht durch die erhöhte Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 GmbHG sich zu einem Streit um die Gesellschafterliste und deren Inhalt verschoben hat. Gilt es bei der Vorbereitung von Gesellschafterversammlungen, deren Beschlüsse anfechtungssicher zu machen, befasste sich der folgende Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Noack von der Universität Düsseldorf mit der vorläufigen Verbindlichkeit angefochtener Gesellschafterbeschlüsse.
Den Bereich des Handelsrechts deckte der Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Thomas Müller-Bonanni aus Düsseldorf über nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern und leitenden Angestellten ab. Bezüge zum Steuerrecht lieferte Prof. Dr. Georg Crezelius von der Universität Bamberg mit seinem Vortrag über die gesellschafterbezogene Rücklage in der GmbH und die damit verbundene schenkungssteuerrechtliche Problematik, während Prof. Dr. Marc-Philippe Weller von der Universität Freiburg die Brücke zum Insolvenzrecht schlug mit seinem Vortrag über die Reise mit der Insolvenz (Verlegung des Sitzes/Wohnsitzes).
Über ein auch unter Fachanwälten nur Insidern bekanntes Thema referierte Dr. Tim Florstedt von der Universität Frankfurt am Main zu Schuldverschreibungsgesetz und Berufskläger: Reformbedarf und Reformperspektiven. Ein Blick über den Tellerrand gewährte schließlich Rechtsanwalt Dr. Kilian Bälz aus Kairo mit seinem Vortrag zu Islam und Recht – Wirtschaftsrecht nach dem arabischen Frühling.
Hier finden Sie Skript und Präsentation zum Vortrag von Frau Dr. Hildegard Ziemons.